Wie wir den Pyromanen zum Feuerwehrmann machen.
Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg
und ihre Geistesblitze.
Guten Tag, heute flatterte mir die Mitteilung auf den Tisch, dass die MABB die 100%tige Übernahme von Spreeradio 105,5 in
Berlin durch die RTL Radioholding nicht nur genehmigt hat sondern auch gleich die Lizenz für 7 weitere Jahre verlängert hat.
Zur Begründung wird angeführt, dass so besser für eine gesicherte Vielfalt im Radiobereich gesorgt wird, weil finanziell
gut ausgestattete Sender nunmal erfolgreicher Radio machen können.
Auch als Spartenprogramm.
Das haben sie aber in den zurückliegenden 15 Jahren irgendwie nie gezeigt.
Die Begrifflichkeiten "Vielfalt" und "Spartenradio" mit der RTL-Radioholding in Zusammenhang zu bringen
zeugt von solch eklatantem Unwissen, dass dies allein schon Grund sein sollte die gesamte Entscheiderriege der MABB fristlos
auszutauschen.
Hier macht sich das Kontrollorgan zum willfährigen Werkzeug.
Unglaublich. Anstatt den Mut zu beweisen und Denen die bisher nicht die Chance hatten zu beweisen dass Radio auch anders
funktionieren kann, eine Chance zu geben, verkauft man sich ohne jeden Skrupel einfach an RTL.
Herr Zimmer frohlockt in seiner PM und lobt die Weitsicht der MABB, naja das ist ja für ihn auch der Freibrief um in Zukunft
vor nichts mehr halt zu machen!
Die Frage die sich mir stellt ist, was bitte sehr geht in den Köpfen dieser "Medienwächter" vor sich?
Hatten sie nicht lange genug Zeit sich anzuhören was für ein innovatives und inhaltsschwangeres Programm bisher von 104.6
RTL und Spreeradio betrieben wurde?
Mit dieser Entscheidung hat sich die MABB für ewig ins Abseits gestellt und die Glaubwürdigkeit eines Kontrollorganes,
welches ja zur Wahrung von Pluralität und Meinungsvielfalt angehalten ist, ad absurdum geführt!
Ich hoffe, meine Damen und Herren, es hat sich gelohnt!
Was für eine Bananenrepublik!
King
Eine andere Meinung
Aus einem Abdruck eines Artikels von Jürgen Stark in "Rock World":
Konnten sich in der Vergangenheit noch kritische Journalisten öffentlich Gedanken über eine Geschmacksmafia im hiesigen
Show- und Sender-Elend machen, so gerät jetzt zunehmend der anonyme Herr Computer ins Zielfernrohr. "Und zu welcher Zielgruppe
gehören Sie?" Die Formatierung von Sendern und Hörern ist bei uns bislang hauptsächlich zu einem Frontalangriff auf anspruchsvollen
Musikjournalismus, musikaliasche Vielfalt und Innovation sowie auf Gaubwürdigkeit im Sinne eines authentischen Musikgeschehens
daneben geraten.
Während man in den USA Country-, Hardrock-, Oldie-, Easy-Listening-, Black-Musik- und sonstige Formate hat, wird bei uns
zunehmend ein seltsam-synthetischer Mainstream-Müll zum werbe- und verkaufsträchtigen Nonplusultra erhoben.
Dieser formatierte Dummfunk wird unterstützt und begleitet von einer Fülle von Umfragen und Untersuchungen, angepeilt
wird eine bestimmte Zielgruppe und/oder eine lukrative Marktnische.
Die Mehrheit der Privaten strickt mit der Werbewirtschaft an einer fatalen selfulling Prophecy: Der Hörer wird solange
verarscht, bis er selbst daran glaubt gut versorgt zu werden. Herangezüchtet werden unmündige Fast-Food-Mutanten, die man
nur noch mit vordergründiger
Action von der Couch herunterkriegt.
"Gefragt ist heute nicht mehr die große musikjournalistische Aufbereitung einer Sendung, sondern gefragt sind Moderatorenqualitäten."
Die Musikkellner dieser Art haben eigentlich nichts mehr zu sagen. Sie bekommen selbst serviert, was man pro Stunde häppchenweise
unters Volk streut.
Diese vollinhaltliche Nulldiät treibt jetzt seltsam-skurile Blüten.
"Es ist heute Rockinterpreten meist nur noch mit einer getragenen Schmeichelballade möglich, ins Radio zu kommen
und damit in die Single-Charts.
So kriegt manch Ahnungsloser heute erst im Konzert mit, dass er Rock im schmuseligen Schafspelz gekauft hat."
Personality-Radio, die Diskussion!
Na also, pünktlich zum Nahen der MA-Ergebnisse ist Radio-Deutschland wieder fleissig damit beschäftigt, neue Ideen und Konzepte
in den Ring zu werfen und zu diskutieren.
Wie bereits an anderer Stelle bemerkt, hat es jetzt das sogenannte Personality-Radio getroffen.
Und, alle meine diesbezüglich geäusserten Befürchtungen werden Wahrheit und von Unsinn und Dummheit noch übertroffen.
Ich finde es beschämend, peinlich und lächerlich wie hier versucht wird dem alten AC-Dudel-Format-Die besten Hits-Funk
einfach ein neues Schildchen aufzukleben, einfach zu verlautbaren dies sei jetzt Personality-Radio und weiterzumachen wie
bisher.
Es geht nicht Änderungen und Justierungen, es geht einzig und allein um Verschleierung.
"Seht! Wir wissen was zu tun ist, wir diskutieren, wir ändern!" schallt es uns aus allen Verlautbarungen entgegen.
Format-Junkies und AC-Propheten mutieren in wundersamer Weise zu den Verfechtern der Individualität im Radio.
Wie arm.
Anstatt, wie sooft von mir gefordert, einfach die ganzen Läden radikal umzustrukturieren wird weiterhin fröhlich und ungehemmt
verfahren wie bisher.
"Personality-Radio ist auch nur ein Format!"
Verdammt noch mal! Ist es nicht!
Es ist ein anderer Weg Radio zu machen.
Weg von allen Lehren der AC-Guru's, Format-Deppen etc.
Ich habe auf diesen Seiten ausführlich und eingehend beschrieben, was Radio zum dauerhaften funktionieren bringt, was
Kommunikation ausmacht.
Es ist mehr als eine Änderung Eurer Claims und die Herausstellung Eurer vorhandenen Moderatoren als "Personalities".
Es reicht nicht pro Stunde einfach ein 1'00-Break hinzuzufügen ("..da kann dann Personality rein") oder den
Namen der Show zu ändern.
Ich finde, dass es eine breite und ausführlich radikale Diskussion über dieses Thema geben muss, nicht eine weitere Berater-Initiative
um möglichst von jahrzehntelang gemachten Fehlern abzulenken.
Mein Gott, wie dumm ist diese Branche?
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Rik DeLisle und Dennis King |
60! Endlich erwachsen!
Ein offener Brief an Rik DeLIsle
Lieber Rik,
nun ist es also soweit, Du bist 60 Jahre jung und ich gratuliere Dir von ganzem Herzen und wünsche mir und der Radiowelt
dass Du 150 werden solltest.
Von diesen 60 Jahren durfte ich Dich über 25 Jahre kennen und als Freund und Mensch schätzen, beruflich waren wir nicht
immer einer Meinung; aber was macht das schon.
Bei aller Kritik die Du so auszustehen hast, vermisse ich immer den Hinweis auf eine, immens wichtige Tatsache; Dein Wissen,
Deine Engagement und Deine Liebe zum Medium Radio.
Von allen Protagonisten im privaten Rundfunk in Deutschland bist Du für mich der Fels in der Brandung, der Leuchtturm.
Seit Du vor vielen Jahrzehnten zum ersten Mal ein AFN-Mikro anhauchen durftest, bist Du infiziert mit der Hingabe zum
Radio.
Du hast, wie ich auch, in früher Zeit lernen müssen dass Radio weit mehr ist als eine profane Geldbeschaffungsmassnahme,
mehr als ein reines Überlebenskonzept.
Radio ist und war für Dich immer der Drang zur Perfektion, die Sucht nach Kommunikation und das bewusste (Er)leben dieser
Einmaligkeit.
Du blickst zurück auf einen Lebensweg voller Höhepunkte und einigen Tiefschlägen, die Du alle gemeistert hast und aus
den Erfahrungen bist Du stärker und menschlicher geworden.
Dieser Lernprozess ist nicht allen vergönnt.
Ich habe wenig Freunde (wen wundert's), vorallem nicht in der "Branche"; eine Branche mit selbsternannten Spezialisten
die noch in die Windeln gemacht haben als wir schon die Carts geschoben haben.
Ich habe Dir das nie erzählt, aber jetzt wird es Zeit Dir zu sagen warum ich Dich so schätze; dazu muss ich kurz ausholen.
In den mitteleren siebziger Jahren hatte ich öfters das Glück in Holland (wo ich für Radio Caroline arbeitete) abends
AFN Frankfurt zu empfangen.
Da gab es täglich eine halbe Stunde "Old Gold Retold" mit Airforce Sergeant Rik DeLisle, eine tägliche Reise
durch die oftmals vergessenen Brillianten der Popmusik und den Geschichten hinter den Songs.
Die Art und Weise wie Du dem Hörer das Gefühl gegeben hast, die Wertschätzung und Liebe zu diesen Kleinoden zu leben,
wird niemals von irgendetwas getoppt werden.
Vielleicht einzig von der legendären Wolfman-Jack-Sendung aus Frankfurt....
Du hattest es geschafft, in gewisser Form ein Vorbild zu sein, nur der leider viel zu früh verstorbene Tony Allan rief
ähnliche Emotionen bei mir hervor.
Als Du dann nach Berlin kamst lernten wir uns kennen und ich glaube, wir mussten beide uns ersteinmal vorsichtig aneinander
herantasten.
Zu unterschiedlich waren unsere Wege bis dahin.
Die gemeinsame Zeit beim RIAS zeigte mir Dein einmaliges Talent, trotz Sprachbarrieren und Strukturen, mit dem Hörer in
unkonventioneller Form zu KOMMUNIZIEREN.
Als Du mich dann gebeten hast, zu r.s.2 zu kommen um den Chaoshaufen wieder nach vorn zu bringen hast Du Mut bewiesen,
Du gabst mir die Möglichkeit zu tun und zu lassen was ich wollte.
Das tat ich auch und nicht immer unerfolgreich.
Diese Zeit war für mich aber auch eine Art berufliche Weggabelung, ich wollte andere Möglichkeiten ausloten und neue Sachen
sehen.
Der Entschluss bei r.s.2 zu küündigen, war die schierigste Entscheidung meines Lebens.
Ich wusste dass ich Dich verletzen würde wenn ich ging, an der anderen Seite hatte ich aber auch die Angst dass unsere
private Freundschaft leiden würde wenn ich blieb.
Und da Deine private Freundschaft mir mehr wert ist und war als jede berufliche Perspektive ging ich.
Wie Du bin ich ein Mensch der seine Emotionen nicht gut öffentlich zeigen kann, als Du mir dann eine Abschiedsparty ausgerichtet
hast (das gab es wohl bei dem Verein noch nie), war ich sprachlos und zutiefst gerührt.
Du zeigtest mir in Deiner Art, wie sehr Du mich schätztest.
Als Direktor des europäischen Büro's von Alan Burns hast Du Dein Wissen in die Chefetagen der erfolgreichsten Privatsender
Deutschlands getragen, ob es immer verstanden wurde bezweifele ich bis heute.
Für mich bist Du die erste und letzte Instanz in Sachen Radio, die Intensität mit der Du Deinen Job liebst wird nie von
irgendjemanden erreicht werden.
After all, wer mit dem Radio in seinen Kopfhörern ins Bett steigt ist entweder voll bekloppt oder Rik DeLisle!!
Es gibt aber die andere, unbekannte, Seite an Dir die mir noch mehr Respekt abnötigt; Dein einmaliger Familiensinn und
die Art und Weise wie Du (trotz vieler Probleme) Deinen Kindern immer Vor- und Leitbild warst.
Dein Stolz auf Deine Bande und Deine Sorge um ihr Wohlergehen.
Respekt!
Hat sich ja auch gelohnt!
So nun genug der Lobpreisung, sonst denkt die Branche noch dass wir bald zusammenziehen!
Rik, alte Hundelunge!
Bleib so wie Du bist, besser geht es nicht!
Grüsse Esther und sage ihr, dass der doofe King gesagt hat, dass sie richtig Glück gehabt hat mit dem alten Ami!
Alles Liebe und auf die nächsten 60,
Dein Dennis
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MV Mi Amigo, das Sendeschiff von Radio Caroline |
Vor 40 Jahren fing das langsame Sterben eines Mediums an
Nun ist es schon 40 Jahre her, dass die britische Regierung mit dem "Marine Broadcasting Offenses Act" und der damit
zusammenhängenden Ratifizierung des sog. "Strassburger Abkommens" den immens populären Seesendern den Hahn abdrehte.
Piraten wie Radio London, Radio Sutch und allen voran Radio Caroline wurde damals per Gesetz das Leben schwer gemacht;
so schwer dass bis auf Radio Caroline alle den Betrieb einstellten.
Das pikante an der Sache ist und war, dass es aufgrund internationaler maritimer Gesetzgebung faktisch unmöglich war diese
Sender zu stoppen.
Sie befanden sich in internationalen Gewässern, also ausserhalb der Hoheitsgebiete der unterzeichnenden Staaten.
Also wurde zum Trick gegriffen, wenn man es schon nicht schaffte die Sender selbst zu verbieten, musste ein anderer Dreh
her.
Der fand sich schnell im Marine-Broadcasting-Offenses-Act (der Einfachheit im Folgenden "MBO" genannt), hier
wurde es Bürgern der unterzeichnenden Staaten untersagt, für solche Sender tätig zu werden.
All dies in direkten Gegensatz zu der UN Menschenrechtskonvention, wo u.a. die freie Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes
garantiert werden sollte.
Soweit so gut.
Warum aber musste es soweit kommen, auf welche Art bedrohten diese Sender das Vereinigte Königreich (und die anderen ca.
12 Unterzeichnerstaaten) so sehr?
Dazu müssen wir weit zurückgehen, vor 1962 gab es faktisch keine Popmusik oder ähnliches im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Das höchste aller progressiven Gefühle waren zu der Zeit Mantovani, Ray Conniff und Percy Faith.
Die Beatles, die Stones und mit ihnen eine lange Reihe von britischen und amerikanischen Musikacts fanden nur in der Abgeschiedenheit
des Untergrunds statt.
Moderiert wurde im Anzug mit Schlips von Ansagern die bald das Rentenalter erreichen sollten.
Die "Piratensender" änderten all dies, plötzlich bekamen Millionen von Menschen den ungehemmten Zugang zu dieser
neuen Popkultur.
Die englische Radio-Ikone John Peel begann bei Caroline.
Die DJ's der Stationen waren, zum Teil nach den amerikanischen Vorbildern, sehr locker und lustig (wenn man die Zeit bedenkt),
Bands wie The Who, Cream, Blind Faith und Solokünstler wie Adam Faith, Alan Price und Cliff Richard wurden zu Ikonen der Popbewegung.
Der Status der Seesender ging weit über den Kult hinaus, sie wurden auch im restlichen Europa gierig angenommen.
"Der Erfolg von Cream wäre ohne Radio Caroline nie möglich gewesen, nicht nur die Band sondern eine ganze Musikgattung
verdankt diesem Sender alles!" sagte mir Produzent Felix Papallardi im Jahr 1977 in Kopenhagen.
Als Radio Caroline dann in 1967 als einziger Sender beschloss gegen diese gesetzliche Vorgabe zu verstossen, war der Mythos
geboren.
Radiofans erinnern sich immer gern an Johnnie Walker's "Mans fight for freedom", in dem er auf sehr emotionale
und pathetische Art den Kampf des Hörers um seine "Freiheit" skizzierte.
Anstatt dieses Medienmodell mit Gesetzen mundtot zu machen, geschah genau das Gegenteil; diese Sender wurden zu der zentralen
emotionalen Mitte von einer ganzen heranwachsenden Generation.
Radio Caroline die letzte Bastion.
Dass Caroline dann einige Monate später den Sendebetrieb aufgeben musste war um so bedauerlicher, da es nicht geschah
weil gesetzgebende Organe den Sender schlossen sondern weil die Bevorratungsfirma Weissmüller aus Amsterdam nach einem Disput
über Zahlungen die Schiffe einfach abschleppen lies.
Erst 1973 gelang es wieder den Sender auf die Nordsee zu bringen, ich war da vom ersten Tag an dabei.
Das hat mein Leben bis heute beeinflusst.
Auch in den Niederlanden gab es zwei weitere Seesender, Radio Veronica und Radio Noordzee, an anderer Stelle gehe ich
darauf ausführlich ein.
Sogar George Harrison, die Monthy-Pythons-Crew und viele, viele andere Musikheroen haben vorallem Radio Caroline in guten
wie in schlechten Zeiten tatkräftig unterstützt.
So wäre das erste europäische Album-Radio "Radio Seagull" ohne George nicht möglich gewesen.
Es war eine zweite, wenn auch wesentlich kleinere, Revoltution; ein Sender der nur Albumtracks spielte und damit in den
Siebzigern Bands wie Earth, Wind and Fire, Derek and the Dominoes etc. etc. die Tore zu einem breiten Publikum öffnete.
Wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, so war auch bei Caroline nicht immer alles Gold was glänzte.
Natürlich spielten auch hier finanzielle Interessen eine Rolle, der unternehmerische Mut von Ronan O'Rahilly (dem Eigner
der Station) war jedoch mehr als vorbildlich.
Nun sitze ich als mehr als dreieinhalb Jahrzehnte später hier und erinnere mich.
Viele junge Leute, die im Schoss des Privatfunks in Deutschland heranwuchsen, durften nie so fundiert, hautnah und unmittelbar
Radio LEBEN.
Und sie durften nicht das Feedback war wir damals erfahren haben erleben.
Das ist traurig.
Es ist nicht meine Gewohnheit zurückzublicken, ich sehe immer nach vorn.
Sentimental würden mich nur sehr wenige nennen.
Trotzdem wurmt es einen zu sehen wieviele Hürden aufgebaut werden und wieviel Potential tagtäglich vernichtet wird, nur
weil bestimmte Interessengruppen ihre kleinen Pfründe bedroht sehen.
Auch heute noch.
Dennis King, Juni 2007
Das Leben der Anderen.
Die Gleichschaltung der Republik.
Voyeurismus ist ein menschlicher Wesenszug.
Herauszufinden, was der Andere denkt und tut beschäftigt vorallem die deutsche Seele sehr gern.
Neid, Missgunst und Schadenfreude sind in unserem Land vielverbreitete, für mich persönlich, kleinürgerliche Triebfedern.
In meinem Lieblingsforum (http://www.radioszene.de) wird gerade mal wieder über die Gehälter von "Top-Moderatoren"
spekuliert.
Subalterne rätseln über die Einkommen ihrer "Chefs".
Anstatt, wie in den sonst so hochgelobten USA, die Verdienstmöglichkeiten einer elitären Minderheit als Ansporn zu verstehen,
als Ziel welches es zu erreichen gilt anzusehen, spekuliert nun Praktikanten-Deutschland darüber was "viel Geld"
in dieser Branche bedeutet.
Peinlich dabei ist nicht die "Gefrässigkeit" mit der die Meute versucht zu ergründen ob Arno Müller seinen Ferrari
selber gezahlt hat oder ob 7.000,-- oder 8.000,-- Euro Spitzengehälter sind, richtig lustig wird es wenn dabei einigen Herrschaften
(und Damen) die Maske der Präpotenz runterfällt.
Erboste Postings von Niedriglohnempfängern, die es nicht für möglich halten, mehr als einen monatlich vierstelligen Betrag
als Top-Personality zu verdienen.
Gleichzeitig aber geifert man über US Spitzenverdiener wie Howard Stern (mit geschätzten 97.000,00 Dollar pro Sendung).
Es ist ein erschreckendes Bild des Futterneids welches sich hier skizziert.
Weil! Liebe Leser und Freunde, sollten die "Spitzen" einer Branche nicht möglichst viel für erfolgreiche Arbeit
verdienen um anderen auch in dieser Hinsicht ein Vorbild zu sein?
Gut, dafür müsste es in Deutschland dann auch "Spitzen" wie Howard Stern geben und der Erfolg ihrer Arbeit in
den entsprechenden Einnahme- und Reichweiten-Dimensionen liegen.
Alle vergessen, dass man das grosse Geld erst mit grosser, einmaliger, Leistung verdienen kann.
Der Arno Müller ist ein gutes Vorbild.
Ein Exempel wie in Deutschland Spitzenleistung bewertet wird.
Seit fast einem Jahrzehnt gehen Arno's Ziffern runter und genauso stetig steigt sein Gehalt.
Warum sollte man sich fragen.
Weil dieser Mann sichselbst gut an die Bosse verkauft.
Für eine Zahl, zum Teil rein virtueller, Posten erhält er allesmögliche Geld nur weil sein Arbeitgeber der Meinung ist,
ohne ihn nicht leben zu können.
Bravo!! Ich lobe den Arno selten, hier aber sage ich: "Chapeau!!"
Wie alles in Deutschland navigiert sich die Branche nicht am Erreichten, sondern tendiert dazu nach "gefühlter Lage"
zu entscheiden.
Wie beim Wetter, obwohl es draussen 10 Grad warm oder kalt ist, kann es sich wie 17 Grad anfühlen.
Wie der Privatfunk in Deutschland, realistisch bei Minus 10 angekommen, wollen die "Macher" uns glauben lassen
es sei frühlingswarm im deutschen Medienland.
Zurück zur Kompensation.
Als ich aktiv im Radio arbeitete habe ich immer sehr, sehr anständiges Geld verdient.
Ob öffentlich-rechtlich oder privat, es war immer jeden Monat fünfstellig.
Die Frage der geneigten Leser, warum das so ist, sei hier schnell beantwortet.
Weil ich für weniger nicht gearbeitet hätte!
Ich kenne meinen Marktwert und meine Einmaligkeit und bin nicht bereit für Azubi-Lohn meinen Namen zu geben.
Mehr noch ich forderte von meinem Arbeitgeber immer das Recht aus Formaten, Korsetts und Einschränkungen ausbrechen zu
können.
Und tat das dann auch.
An Regeln brauchte ich mich NIE zu halten und hätte es auch niemals getan.
Das wussten immer beide Seiten.
Und wenn dann Einer mal schlau sein wollte und mir zeigen wollte, wer Herr Im Haus war, ging ich halt.
Um 3 Jahre später an seinem Schreibtisch seine alten Notizblocks aufzubrauchen. (Hallo Jörg Brüggemann!!)
Was ich damit sagen will ist, zuallererst darf man sein Selbstwertgefühl und Einmaligkeit nicht an der Sendertür abgeben.
Auch wenn das bedeutet nicht von allen geliebt zu werden.
Renegaten und Piraten sind anziehender als die Masse es glaubt.
Darum mein Appell, wirklich talentierten Leuten möglichst hohe Gehälter zu zahlen, sie machen zu lassen was sie wollen,
um wieder zurück auf den Weg der Magie des Radio's zu finden.
Zurück zu einem Radio des Unerwarteten, zurück zu der Einmaligkeit des Moments, zurück zu Emotionen.
Zurück zu wirklichen Personalities.
Deutsches Radio braucht Stars mit Background.
Nicht intelligenzbefreite Claim-Maschinen.
Niveau muss wieder vom Zuhörer definiert werden, nicht von pfennigfuchsenden Verwaltungshengsten.
Die Kehrseite der Medaille ist und bleibt aber diese: Um gutes Geld zu verdienen muss auch gute Leistung erbracht werden,
und gute Leistung im Radio ist nicht das Buckeln vor der Geschäftsleitung oder selbstherrlichen Programmdirektoren oder das
sklavenartige Joch der Formate; es ist die erfolgreiche Füllung heisser Luft mit Einmaligkeit.
Im Volksmund auch "Senden" genannt!
Über 30 Jahre habe ich recht erfolgreich heisse Luft gefüllt, ohne hochtrabende Ansprüche an mich selbst oder meine Hörer;
aber immer mit meiner Persönlichkeit und ohne mich zu verstellen.
Und viele, viele Hörer danken es mir bis heute, dafür verfluchen mich viele sogenannte Entscheider.
Sei's drum.
Also liebe geldgeile Nachwuchsgemeinde, zuallererst müsst Ihr schon mal etwas wagen, sonst werdet Ihr ewig mit Harz- IV-nahen
Einnahmen leben müssen.
Wie sagt es uns die Politik doch täglich?
"Erfolg muss sich wieder lohnen!"
Da haben sie ein einziges Mal Recht!
Frohes rebellieren wünscht und erhofft sich, Herr King.
Wielange müssen wir uns das noch antun?
Der Werteverfall im privaten Radio.
Seit meinen frühen Anfängen im Radiogeschäft vor fast 35 Jahren hat sich viel getan und verändert; und dass nicht immer zum
Positiven.
Im Gegenteil, ein Interaktionsmedium wurde zu einer Art Claim-Stalinorgel umfunktioniert, Entscheider profilieren sich
nur noch dadurch dass sie das Niveau auf unterirdische Tiefen absenken und die vermeintlichen Ratgeber brauchen selbst rapide
psychologische Hilfe.
In keiner anderen Branche habe ich je einen solchen Werte- und Qualitätsabfall mitansehen müssen.
Weltmeister sind die bundesdeutschen Radioprofi's nur darin, die jährlich zu schwindelerregender Höhe steigenden Verluste
schönzureden und als Gewinne darzustellen; ungestraft!
Und keiner sagt etwas, jeder kuscht und möchte nicht der nächste sein der geht weil er Kritik geübt hat.
In jedem anderem Zusammenhang würde man in unserem Land sofort Aufschreie der Empörung hören, das Wort vom spätzaristischen
Kapitalismus würde die Runde machen und betroffene Gesellschaftskritiker jeglicher Couleur würden in Leitartikeln die Nation
wachrütteln.
Doch nichts von alledem geschieht; hauptsächlich wahrscheinlich weil das Medium privater Rundfunk so bedeutungslos geworden
ist dass es gesellschaftlich-kommunikativ einfach keine Rolle mehr spielt.
Das haben wir den Format-Guru's und Reduktionspäbsten zu verdanken, der vermeintlichen Wunder-Generation die den privaten
Rundfunk zur Goldmine machen wollte.
Geschafft haben sie genau das Gegenteil; ein kaum noch überlebensfähiges, von Praktikanten und Billiglöhnen gestütztes
Tertiär-Medium welches bestenfalls als Klangteppich leise im Autohintergrund vor sich her dümpelt.
Lediglich einige wirklich lobenswerte Ausnahmen wie Radio Eins in Berlin/Brandenburg (die meisten öffentlich-rechtlich)
kämpfen mit steigendem Erfolg gegen diese Selbstverstümmelung des Mediums an.
Diese mediale Bulemie (kriege nicht genug von schwachsinnigen Ideen und schädigenden Konzepten, implementiere sie und
kotze sie danach aus) ist mittlerweile grenzwertig; ich frage mich wann endlich die Aufsichtsbehörden und Landesmedienanstalten
hier die Konsequenz ziehen.
Soweit ist es also schon gekommen, ich rufe nach der Politik!
Ein letzter verzweifelter Aufschrei zur Rettung der Form des Radio's, die über Jahrzehnte Hörer bewegt und emotional eingebunden
hat.
Ist wirklich fast alles vergessen, Orson Welles' "War of the worlds", Wolfman Jack's Sternstunden, die Radiopiraten
der sechziger und siebziger und durchaus erwähnenswerte deutsche Vorbilder wie der leider viel zu früh von uns gegangene Barry
Graves?
Als ich Ende der 70er beim RIAS in Berlin anfing und innerbetrieblich so eine Art Ein-Mann-Avantgarde gab, verzweifelte
ich oft an den inhaltsschwangeren Programm-Werken von Menschen wie Olaf Leitner und Christian Graf.
Der, damals von mir immer wieder beobachtete, gehobene Zeigefinger der subcutan in allen Moderationen mitschwang ("Rockmusik
ist politisch") brachte mich oftmals zur Verzweifelung.
Mit puristischem Eifer wurde da Hörererziehung betrieben und der Spass war nicht gewollt.
Es galt eine Botschaft zu senden, hintergründig möglichst viele Facetten zu beleuchten und ein Radioprogramm war mehr
als die reine Füllung heisser Luft.
Niemals in meinen wildesten Träumen hätte ich gedacht dass ich im Jahr 2007 hoffen und beten würde, dass der private Rundfunk
in Deutschland auch nur ein Milligram Leitner, Graf, Wohlmacher, Kothy, Bachauer oder gleichgesinnte in sich haben würde.
Besonders Olaf Leitner verdient nachträglich meinen allerhöchsten Respekt, nicht nur war er tapfer genug, mich zum RIAS
zu holen (ohne zu ahnen welche beruflichen Albträume er sich da ins Haus holt mit einem Unterhaltungs-Terroristen wie mir),
er war auch immer ein Verfechter der fundierten Meinungsäusserung, ein Mann mit Mission.
Lieber Olaf, falls Du dies je liest möchte ich mich bei Dir in aller Form dafür entschuldigen, dass ich Deine (damals
für mich unverständlichen) apokalyptischen Vorhersagen in Bezug auf das "Gespenst Privatfunk" nie ernst nam Dich
zuweilen auch sehr diskreditiert habe.
Im Rückblick hast Du Recht behalten, wenn man Lego-Spieler einen Wolkenkratzer bauen lässt, ist der Einsturz nicht weit.
Und Visionäre wie Sigi Schmidt-Joos und natürlich Prof. Herbert Kundler sollten bei dieser Aufzählung nicht unerwähnt
bleiben.
Nun zurück zur Gegenwart; die leitenden Protagonisten unserer Zeit sind publizistisch unterbelichtet, geschäftlich unverantwortlich
und haben von der Materie schlicht und einfach nicht den Ansatz einer Ahnung.
Die Ahnungs- und Hilfslosigkeit wird besonders dann evident wenn es gilt eigene Ideen, Konzepte und Massnahmen zur Wiederbelebung
des todeskranken Privatfunks zu finden.
Da verabreichen die Spezialisten bildlich gesprochen gern dem Herzpatienten einen doppelten Espresso um den Blutdruck
zu senken......
Am schlimmsten für mich ist jedoch die Ausuferung des Narzismus und der Egozentrie in allen massgeblichen Führungsbereichen
des Privatradio's; bedauerlicherweise denkt hier kein einziger an den Rundfunk, das Medium, sondern nur an Ziffernbeschaffung
und Umsatzoptimierung.
Leider ist aber dieses Medium nur erfolgreich wenn es KOMMUNIZIERT, POLARISIERT und EMOTIONAL BINDET!
Dazu benötigt man Geist, Wissen, Hirn und Mut!
Alles Schimpfwörter in der heutigen Szene.
Eine eierlose Klicke von profilneurotischen Selbstdarstellern und selbsternannten Spezialisten macht sich daran das schönste
Kommunikationsmedium der Welt zu Grabe zu tragen, aus fehlverstandener Profitgier, Unverständnis der Materie gegenüber und
schlichtem Unwissen.
Gute Nacht Deutschland.
Dennis King im März 2007.
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